Gesetzeslage

Rechtliche Lage für verschiedengeschlechtliche unverheiratete Eltern

Seit dem 1. Juli 2014 gilt in der Schweiz für verheiratete wie auch unverheiratete Eltern grundsätzlich das gemeinsame Sorgerecht. Dies gilt für die beiden (verschiedengeschlechtlichen) biologischen Eltern, die zugleich auch die rechtlichen Eltern des Kindes sind. Das bedeutet, beide Elternteile sind rechtlich dazu befugt, wichtige Entscheidungen gemeinsam zu treffen – etwa über Erziehung, Aufenthaltsort, Ausbildung oder medizinische Belange.
Für unverheiratete Paare bleibt das Sorgerecht zunächst bei der Mutter, bis eine gemeinsame Erklärung beim Zivilstandsamt oder der KESB abgegeben wird.
 
Die sogenannte alternierende Obhut ist möglich, bei der das Kind abwechselnd bei beiden Eltern lebt, etwa im Wochenrhythmus oder 50:50-Zeitmodell. Gerichte zeigen sich offen für solche Modelle, insbesondere wenn sie bereits praktiziert werden.
 
Unverheiratete Eltern unterliegen – unabhängig vom Sorgerechtsstatus – den gleichen Pflichten gegenüber dem Kind wie verheiratete Eltern, insbesondere der Pflicht zur angemessenen Betreuung, Erziehung und zum Unterhalt.

Rechtliche Lage für gleichgeschlechtliche Eltern

Stiefkindadoption (seit 1. Januar 2018)

Bereits seit 1. Januar 2018 ist die Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare möglich, auch in eingetragenen Partnerschaften oder stabilen faktischen Lebensgemeinschaften (mindestens 3 Jahre gemeinsame Haushaltsgemeinschaft). Allerdings war dies lange Zeit die einzige Möglichkeit für eine dem biologischen Elternteil vergleichbare rechtliche Absicherung.

Ehe für Alle (seit 1. Juli 2022)

Mit der Einführung der Ehe für alle erhalten Regenbogenfamilien weitgehend die gleichen Rechte wie heterosexuelle Ehepaare: etwa gemeinsamer Adoption und Zugang zu Fortpflanzungsmedizin (z.B. Samenspende für Frauenpaare), gemeinsame Elternschaft ab Geburt bei lesbischen Paaren bei Zeugung des Kindes in einer Schweizer Samenbank.

Offene Forderungen und Lücken

Gemeinsame Elternschaft ab Geburt auch für weitere queere Familienformen wie Familien mit privater oder ausländischer Samenspende oder Familien, die vor der Einführung der Ehe für alle entstanden sind. Aktuell sind Partner:innen in solchen Konstellationen, darauf angewiesen, das Rechtverhältnis zum Kind auf dem Wege der Stiefkindadoption herzustellen. Diese Verfahren sind langwierig und zermürbend. Aktuell ist allerdings eine Revision des Stiefkindadoption-Verfahrens im Parlament hängig, die eine Verkürzung des Verfahrens vorsieht. Nötig wären allerdings auch weitere Erleichterungen im Adoptionsverfahren.

Auch fehlt eine klare gesetzliche Regelung für Leihmutterschaft und Mehrelternschaft, was insbesondere für männliche Regenbogenfamilien problematisch ist.
 

Rechtliche Lage für mehr als zwei Elternteile (Mehrelternschaft)

Aktuell: Nur zwei rechtliche Elternteile möglich!

Das geltende Schweizer Familienrecht sieht standardmäßig nur zwei gesetzliche Elternteile vor. Modelle mit drei oder mehr juristisch anerkannten Elternteilen sind derzeit nicht vorgesehen. Das betrifft sämtliche Rechtsbereiche wie Abstammung, Sorgerecht und Personenstandsregister.

Das geltende Recht lässt private Vereinbarungen zur Aufteilung von Betreuung und Kosten zwar zu, die rechtliche Verbindlichkeit ist jedoch stark eingeschränkt. Versuche, solche Modelle bei Behörden (z. B. Vormundschaftsstelle) zur Eintragung zu bringen, stoßen oftmals auf rechtliches Unverständnis oder Ablehnung.

Verantwortungsgemeinschaften definieren den rechtlichen Rahmen für Lebensgemeinschaften ausserhalb der Ehe. Die Form kann immer dann zur Anwendung kommen, wenn Bürger:innen Verantwortung füreinander oder für Kinder übernehmen. Dies können befreundete Alleinerziehende oder Senioren-WGs sein.

Verantwortungsgemeinschaften

Verantwortungsgemeinschaften, wie es sie im Ausland zum Teil bereits gibt, definieren den rechtlichen Rahmen für Lebensgemeinschaften ausserhalb der Ehe bzw. der Paarbeziehung. Dieses Institut kann immer dann zur Anwendung kommen, wenn Menschen Verantwortung füreinander oder für Kinder übernehmen. Dies können befreundete Alleinerziehende oder Senioren-WGs sein.
Durch eine Verantwortungsgemeinschaft können u. a. folgende Punkte geregelt werden:
  • Rechtliche Absicherung im Alltag

    • gegenseitige Vertretung in alltäglichen Angelegenheiten

    • Mitspracherechte in medizinischen Fragen (Patient:innenverfügung, Gesundheitsfürsorge)

    • Regelungen im Notfall oder bei Handlungsunfähigkeit

  • Unterhalt und finanzielle Verpflichtungen

    • klare Vereinbarungen zu Unterhaltspflichten oder finanzieller Verantwortung

    • mögliche Absicherung bei gemeinsamer Haushaltsführung oder gemeinschaftlichem Eigentum

  • Erbrechtliche Aspekte

    • Vereinbarung gegenseitige Erbansprüche oder vereinfachte Gestaltung von Testamenten

  • Pflegerechte und -pflichten

    • Besuchsrechte und Mitbestimmungsrechte im Pflegefall oder Krankenhaus

    • Übernahme von Sorge- und Pflegeaufgaben mit rechtlicher Anerkennung

  • Formalisierte Verantwortungsgemeinschaften jenseits von Liebesbeziehungen

    • ermöglicht auch Freund:innen, Mitbewohner:innen, Wahlverwandtschaften oder generationsübergreifenden Gemeinschaften, Verantwortung rechtlich abzusichern

    • bietet eine Alternative zur Ehe, die stärker auf Solidarität und Unterstützung statt auf eine traditionelle Familienform zugeschnitten ist

Zusammengefasst: Die Verantwortungsgemeinschaft kann vor allem gegenseitige Fürsorge, Vertretung, Haftung und Absicherung regeln, ohne dass es sich um eine Ehe handeln muss. Sie soll eine flexible Rechtsform für moderne Lebens- und Sorgegemeinschaften bieten.

Antrag im eidgenössischen Parlament zu Verantwortungsgemeinschaften durch Fabian Molina im 2023: https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20233305 

In der Antwort weist der Bundesrat auf den Antrag zu Andrea Caroni zu der Rechtsform eines Pacs hin.

https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20220448

Voraussichtlich wird dieser aber eher nur für zwei Personen gelten und stellt daher für uns keinen Ersatz für Verantwortungsgemeinschaften mit noch mehr Beteiligten dar. Wir klären ab, inwiefern ein neuer Antrag im Parlament zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll ist. 

Fazit

Co-Parenting mit zwei Elternteilen ist in der Schweiz möglich und wird zunehmend auch für unkonventionelle Konstellationen rechtlich anerkannt. Die rechtliche Lage hat sich insbesondere für gleichgeschlechtliche Eltern in den letzten Jahren wesentlich verbessert. Aber es bestehen weiterhin erhebliche rechtliche Lücken. Und Familienmodelle mit mehr als zwei rechtlich anerkannten Eltern oder andere moderne Familienformen bleiben rechtlich noch immer komplett unberücksichtigt.